PRESSEERKLÄRUNG DER NICHTREGIERUNGS- UND KLEINBAUERNORGANISATIONEN
Vertreter und Vertreterinnen von Nichtregierungs- und Kleinbauernorganisationen (NROs und SFOs) aus 35 Ländern begrüßen das Globale Forum für Agrarforschung, das vom 21.-23. Mai in Dresden stattfindet. Als erstes internationales Forum aller Interessensgruppen der Agrarentwicklung seit fünf Jahrzehnten bietet es Gelegenheit zu einer breiten Diskussion, beispielsweise über den Potentiale und Risiken der Gentechnik für die Ernährungssicherheit und seine Auswirkungen auf Umwelt und biologische Vielfalt.
Nichtregierungs- und Kleinbauernorganisationen unterstützen die Agrarforschungsinstitute in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Gentechnologien, die die Möglichkeit der Bauern, ihr Saatgut wiederzuverwenden, einschränken. Die Terminator-Patente und ähnliche Technologien bedrohen die Lebensgrundlage von Kleinbauern und ihren Familien.
Nichtregierungs- und Kleinbauernorganisationen sind der Meinung, daß Patente nicht dazu geeignet sind, die Agrarforschung zu fördern, sondern dass sie im Gegenteil den Austausch von Wissen und von verbessertem Saatgut verhindern.
Patente führen dazu, dass Bauern Gebühren dafür entrichten müssen, dass sie ihr eigenes Saatgut nachbauen. Eine für fast eine Milliarde Kleinbauernfamilien unerträgliche Situation, die bisher in der Geschichte der Landwirtschaft undenkbar war, selbst zu schlimmsten Zeiten des Kolonialismus. Patente würden die überlebenswichtigen Praktiken der Bauern, Saatgut aus eigener Ernte zu verwenden, untereinander auszutauschen und weiterzuentwickeln, behindern und einen schweren Rückschlag für die landwirtschaftliche Vielfalt bedeuten.
Patente eröffnen außerdem Möglichkeiten zur “Biopiraterie”, indem internationale Firmen das Saatgut-Genmaterial der Armen entwenden. Fast immer sind es Firmen aus Industrieländern, die Genmaterial aus dem Süden patentieren, so dass – in einer Welt des freien Handels! – den Bauern des Südens ihnen zustehende Exporterlöse vorenthalten werden.
Die öffentliche Agrarforschung wird aufgefordert, ihre Ergebnisse nicht zu patentieren, auch nicht um Patentierung durch Firmen zu verhindern. Sie darf die ohnehin knappen Forschungsgelder nicht für Patentanmeldungen oder gar für die teure juristische Verteidigung von Patenten, die in jedem Land einzeln erfolgen muss, einsetzen. In der Regel genügt eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse, um deren freie Nutzung sicher zu stellen.
Nichtregierungs- und Kleinbauernorganisationen sind der Meinung, daß gentechnisch veränderte Nahrungspflanzen kaum zur Sicherung der Welternährung beitragen werden, sondern sie im Gegenteil bedrohen. Hunger ist nicht in erster Linie ein technisches, sondern ein soziales, ökonomisches und politisches Problem des Zugangs zu Ressourcen.
Auch Ernährungsmängel wie die verbreitete Erblindung durch Vitamin A-Mangel können nicht mit gentechnisch veränderten Nahrungsmittel, wie dem “Goldenen Reis” behoben werden. UN-Organisationen halten seit langem die Anreicherung von Nahrungsmitteln für unzulänglich, und fordern stattdessen, traditionell vielfältige Anbausysteme zu unterstützen, die den bäuerlichen Familien neben Grundnahrungsmitteln auch eiweiss- und vitaminreiche Nahrung zur Verfügung stellen. Die Grüne Revolution hat mit ihrer einseitigen Betonung auf wenige Grundnahrungsmittel Fehler gemacht, die mit der Gentechnik nicht wiederholt werden sollten.
Agrarforschung sollte vielmehr auf das Wissen und die innovative Kraft der bäuerlichen Gemeinschaften bauen. Dies sind keine romantischen Ideen, sondern vielfaeltig wissenschaftlich untermauerte Erkenntnisse. Verzicht auf Gentechnik ist kein Luxus, den sich nur die Reichen erlauben dürfen. Für die Armen bedeutet Verzicht auf Gentechnik mehr Geld für sinnvollere Forschung. Dazu kommt, dass die noch nicht genügend bekannten Risiken der Gentechnologie von den Bauern getragen werden müssen, weil das Biosafety-Protokoll bis jetzt keinerlei Haftung der verantwortlichen Firmen vorsieht.
Die Nichtregierungs- und Kleinbauernorganisationen fordern deshalb: Priorität bei der Forschungsförderung sollte nicht die Gentechnik oder Exportkulturen wie Bananen und Kaffee, und die Kommunikationstechnologien erhalten. Sie unterstützen die Plaene die Forschung auf das Management der natürlichen Ressourcen auszurichten und sich dabei auf die Rolle der kleinbaeuerlichen Familien zu konzentrieren. Ökologische Landwirtschaft mag von manchen als Luxus der Reichen angesehen werden, bei den Armen ist sie häufig Realität, denn teures Saatgut und Pestizide können sich viele Bauern nicht leisten.
Die Nichtregierungs- und Kleinbauernorganisationen weisen darauf hin, dass unter den Hauptrednern des Globalen Forums keine VertreterInnen von Bauernorganisationen und nur eine Vertreterin von Nichtregierungsorganisationen war. Dies werten sie als Ausdruck der mangelnden Vertretung dieser Interessengruppen. Die zukünftige Struktur des GFAR muß diese wichtigen Interessensgruppen stärker berücksichtigen und ihnen Rechte für Entscheidungen über Geldzuweisungen einräumen.
Regionale und nationale Foren zur landwirtschaftlichen Forschung und Entwicklung müssen geschaffen werden, um die Teilnahme und den Einfluß dieser Interessensgruppen und die Wirksamkeit der landwirtschaftlichen Forschung zu verbessern.