Debatte im Brüsseler Parlament um Leguminosen als Alternative zu Soja-Importen
Das Wortspiel garantierte schon mal einen hohen Aufmerksamkeitswert – auch außerhalb von Expertenkreisen. Unter dem Titel: “Give peas a chance” („Gib Erbsen eine Chance“) hatte Martin Häusling, Europa-Abgeordneter der Grünen zusammen mit der Organisation Friends of the Earth Europe ins Parlament in Brüssel eingeladen. Diskutiert wurde, wie der Anbau von Leguminosen, also Hülsenfrüchten, in Europa den Klimawandel in der Landwirtschaft bremsen und zugleich die Einnahmen der Landwirte verbessern könnte. Das Fazit vorneweg: Nur durch einen massiv verstärkten Anbau dieser eiweißhaltigen Pflanzen können die massiven Umweltschäden begrenzt werden, die die großflächige Produktion von Soja derzeit vor allen im Ländern außerhalb der EU anrichtet.
„Kollateralschäden der EU Agrarpolitik“
Doch von diesem Zukunftszenario sei man noch weit entfernt, sagt Politiker und Landwirt Häusling. So machen die Flächen für Eiweißpflanzen als Alternative zu importiertem Soja im Schnitt in den europäischen Mitgliedsstaaten nur etwa ein bis zwei Prozent aus. Dabei seien Ackerbohnen oder Erbsen nicht nur eine gute Futtermittelalternative zu Soja – mit ihrer Fruchtfolge verbessere sich auch deutlich die ökologische Beschaffenheit der Böden. Häusling: „Wenn wir mehr Flächen dafür bereithalten würden, könnten wir überdies züchterisch mehr aus diesen Eiweißpflanzen herausholen.“ Soja hingegen ist für Häusling „der Treibstoff der massenhaften Fleischproduktion“ und als solcher verantwortlich für viele „Kollateralschäden der EU Agrarpolitik.“
Wie diese unter anderem aussehen, zeigt sich zum Beispiel in Argentinien. Dort wird der industrielle Soja-Anbau, etwa durch den Konzern Monsanto, mit hohem, für Menschen schädlichen Pestizideinsatz betrieben. Juan Ignacia Pereyra, Anwalt aus Argentinien, vertritt die Opfer vor dem so genannten Monsanto Tribunal. Doch nach seiner Aussage ist das nicht einfach. Denn die Konzerne hätten ihre Macht so weit ausgedehnt, dass sie die Umweltgesetzgebung im Falle von Soja einfach missachten könnten. Pereyra warnt deshalb davor, dass in der EU ein ähnlicher Weg eingeschlagen werden könnte, wie in Lateinamerika. Nur die Sojaproduktion in der EU zu erhöhen, um von Sojaimporten aus Drittstaaten unabhängig zu werden, sei daher keine geeignete Lösung.
Alarmierende Entwicklung in Rumänien
Das bestätigt sich gegenwärtig in Rumänien. So machte Atilla Szőcs von Eco Ruralis, einer rumänischen Landbewegung, die Kleinbauern und Verbraucher vertritt, auf die alarmierenden Entwicklungen in seiner Heimat aufmerksam. 44 Prozent der Fläche sei mittlerweile im Besitz von Konzernen, die insgesamt nur weniger als ein Prozent der Landbesitzer ausmachen. Dieser „Flächenfraß durch die Konzerne“ habe zu dramatischen Veränderungen der ländlichen Räume geführt. Der „Weg nach vorne“, so Szőcs, könne nur in einer nachhaltigen Agrar- und Ernährungspolitik der Europäischen Union liegen. Auch Häusling sieht ein großes Problem darin, dass US Konzerne versuchen, den Soja-Anbau nun auch auf Europa auszudehnen. „Das ist dann aufgrund der EU-Bestimmungen zwar kein gentechnisch verändertes Soja“, so Häusling, „aber umweltschädlich ist es trotzdem.“
Der Grünen-Abgeordnete kritisiert zudem das so genannte Blair-House-Abkommen zwischen Europa und den USA aus den 90 Jahren. Es sieht den zollfreien Soja-Import in die EU vor und erlegt den europäischen Bauern zudem Obergrenzen für die Produktion von Eiweißpflanzen auf. Es sei unverständlich, so Häusling, „dass wir uns davon immer noch nicht frei gemacht haben.“
Ein Thema für die GAP-Reform
Silke Boger von der Generaldirektion Agrar und ländliche Entwicklung der EU-Kommission, betonte unterdessen, dass die Kommission an einem Proteinbericht mit Empfehlungen zur Stärkung des Eiweißpflanzenanbaus arbeitet. Über Modellprojekte in insgesamt sieben EU-Mitgliedsländern, darunter auch in Deutschland, sollen Forschung und Entwicklung dazu gestärkt werden. Nach Ansicht Häuslings ist das zu wenig. Gegenwärtig stehe auch die Handelspolitik mit den USA einer nachhaltigen europäischen Eiweißpflanzen- und Agrarpolitik im Weg. „Eine geänderte Politik in diesem Bereich muss aber Gegenstand der Verhandlungen um die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) werden“, so Häusling. Dazu gehöre ein „attraktives Angebot“ für die Bauern, die für eine nachhaltige Landwirtschaft entlohnt werden müssten und nicht für Massenproduktion. Die Bindung von Mittelzuwendungen an Umweltleistungen steht für Häusling „im absoluten Mittelpunkt“ der Agrarreform. Nur so hätten Bohnen und andere Leguminosen in Europa eine Chance.
Monika Hoegen, entwicklungspolitische Fachjournalistin in Brüssel