Bonn, 22. Mai 2006
Pressemitteilung
Die Stunde der Wahrheit in der WTO
Forum Umwelt & Entwicklung kritisiert Verhandlungspositionen der EU und USA in den WTO-Agrarverhandlungen
Bonn, den 22. Mai 2006: Auf dem OECD-Ministerratstreffen vom 23. bis 24. Mai stehen die WTO-Agrarverhandlungen auf der Tagesordnung. Die Organisationen des Forums Umwelt und Entwicklung kritisieren die Verhandlungspositionen von der EU und den USA. Diese wollen den Entwicklungsländern nur sehr begrenzt den Schutz der kleinbäuerlichen Grundnahrungsmittelproduktion zugestehen.
„Jetzt ist die Stunde der Wahrheit in den WTO-Verhandlungen gekommen“, sagt Armin Paasch von der Menschenrechtsorganisation FIAN. „Indem die EU und USA auf die weitgehende Öffnung der Märkte in den Entwicklungsländern bestehen, gefährden sie das Recht auf Nahrung von Millionen von kleinbäuerlichen Familien. Mit dieser harten Verhandlungsposition entlarven sie die entwicklungsfreundlichen Absichtserklärungen als hohle Rhetorik.“
Die USA haben jüngst den Vorschlag unterbreitet, dass die Entwicklungsländer nur fünf Zolllinien bei der Marktöffnung flexibler behandeln dürfen. Da jedes Produkt aus mehreren Zolllinien besteht (z.B. „Milch“ aus Magermilch- und Vollmilchpulver, Hart- und Weichkäse, Sahne, Butter), kann ein Entwicklungsland beispielsweise nicht einmal alle Milchprodukte schützen. „Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen Entwicklungsländer, die sich in der WTO für Ernährungssicherheit einsetzen“, erklärt Marita Wiggerthale, Handelsexpertin bei der Entwicklungsorganisation Oxfam. Die EU sei aber auch nicht viel besser. Sie wolle die Bestimmungen für Spezielle Produkte davon abhängig machen, wieviel Zollschutz ihnen selbst für ihre sensiblen Produkte zugestanden wird. „Das Recht auf Nahrung ist aber nicht verhandelbar. Sich selbst mit Grundnahrungsmitteln ernähren zu können, ist eine Frage des Überlebens. Wer dies verhindert, macht sich mitschuldig am Leiden der Hungernden in der Welt“.
Dabei hat eine Gruppe von 42 Entwicklungsländern (G-33) – unter anderem Indien, Philippinen, Indonesien, Tansania, Venezuela – einen Kriterienkatalog vorgelegt, der sicherstellt, dass Ernährungssicherheit, Beschäftigungssicherung im ländlichen Raum und ländliche Entwicklung wirklich erreicht werden. Anhand der Kriterien sollen Entwicklungsländer dann 20 Prozent ihrer Zolllinien als Spezielle Produkte auswählen und schützen dürfen. Davon sollen 50 bis 65 Prozent von einer Zollsenkung gänzlich ausgenommen und beim Rest der Zoll um fünf bis zehn Prozent gekürzt werden.
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, fordert auch einen Kriterienkatalog für den Zollschutz in der EU: „Die Sensiblen Produkte müssen an soziale und umweltgerechte Kriterien gebunden werden, damit sie auch eine bäuerliche Landwirtschaft in Europa stärken. Die WTO-Verhandlungen müssen erreichen, dass jedwedes Dumpen aus der EU unmöglich wird. Gleichzeitig müssen aber auch Regeln zugelassen werden, die in Europa ein Dumpen gegen ökologische, soziale und preisliche Kriterien verhindern. Der Importbedarf der EU an Nahrungsmitteln ist beträchtlich. Es ist notwendig, durch einen Qualifizierten Marktzugang, die Entwicklungsländer an unserem Preisniveau zu beteiligen. Damit können sie ihre Volkswirtschaften entwickeln, um so Hunger und Armut zu überwinden.“
Kontakt für die Presse:
Marita Wiggerthale: 0162-138-632-1
Armin Paasch: 0176-226-307-55
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: 0171-362-771-1