Soja aus Brasilien für deutsche Kühe, deren Milch dann billig exportiert wird? Wie internationale Handelspolitik dem Klima schadet und die Entwicklung im globalen Süden behindert.
Beitrag von Nelly Grotefendt im FrankfurterRundschau
Milch ist ein alltägliches Produkt. Viele konsumieren es regelmäßig, im Kaffee, im Müsli, als Butter, Quark oder Käse. Wenigen ist dabei bewusst, dass Milch ein global produziertes Gut ist. Zwar reist die Milch, die wir in Deutschland zum Beispiel als Frischmilch verzehren, nicht um den Globus wie eine Jeans. Aber um derartig große Mengen Milch – 2019 waren es alleine in Deutschland 33 Millionen Tonnen – herstellen zu können, braucht es enorme Mengen an Tierfutter, die nicht in Deutschland angebaut werden können. Soja beispielsweise, aber auch Mais, sind wichtige Bestandteile des proteinreichen Kraftfutters und werden aufwändig importiert, unter anderem aus dem südamerikanischen Mercosur-Raum. Für den extensiven Anbau von Futtermitteln werden oft Regenwaldflächen gerodet. Das hat dramatische Folgen für die Ökosysteme, das Klima und für die Lebensbedingungen dort lebender Menschen.
Darüber hinaus ist Deutschland einer der größten Exporteure von Milchprodukten unter den EU-Mitgliedstaaten. Südamerikanisches Soja und Mais ernährt europäische Kühe, die einen Überschuss an Milch produzieren, den wir vor Ort gar nicht verwerten können. Sie wird zu konkurrenzlos günstigen Preisen exportiert – und vernichtet im Ausland Arbeitsplätze und Existenzen.
Daran können auch aufmerksame Verbraucher*innen nur wenig ändern, zumal schlechte Einkommen eine freie Konsumentscheidung erschweren. Vielmehr braucht es für eine Veränderung politische Weichenstellungen. Die Handelspolitik nimmt hier eine zentrale Stellung ein.
Kann die Globalisierung uns retten?
Handel wurde und wird immer getrieben. Das ist auch gut so. Doch die Rahmenbedingungen dafür, welcher Handel wie betrieben wird, welche Anreize gesetzt werden, das bestimmt die Politik. Selten wurde das deutlicher als in diesem Jahr.
Zum Schutz vor der Covid-19-Pandemie wurden mit politischen Beschlüssen Grenzen geschlossen und wieder geöffnet. Die Arbeit an verschiedenen Standorten, in Fabriken, im Büro war erschwert oder unterbrochen. Der Rhythmus des alltäglichen Arbeitens geriet aus dem Takt, was massive Auswirkungen auf den Welthandel hatte. Lieferungen verspäteten sich, Engpässe entstanden. Im Agrarbereich gerieten viele Schlachtguterzeuger*innen aufgrund verringerter Schlachtkapazitäten in Bedrängnis. Zeitgleich sorgte die massive Ausbreitung der Schweinepest für viel Stress bei den großen Schlachthofbetrieben. Die Exporte in Drittländer mit wichtigen Absatzmärkten wie beispielsweise China wurden plötzlich komplett unterbunden, was die Preise extrem sinken ließ.
Die anhaltende Covid-19-Pandemie verdeutlicht damit zugleich bestehende Probleme, insbesondere die Abhängig- und Anfälligkeiten unseres Welthandelssystems. Zivilgesellschaftliche Aktivist*innen arbeiteten schon vor der Pandemie aktiv an Vorschlägen für die angezeigte Umgestaltung des Welthandels. Dabei müssen ökologische und menschenrechtliche Erwägungen ins Zentrum gerückt werden. Aber auch ökonomisch stellt sich immer drängender die Frage nach der Sinnhaftigkeit globaler Wertschöpfungsketten. Ist es wirklich wünschenswert und überhaupt langfristig möglich, weiter alle Produkte in grenzenlosem Umfang weltweit zu handeln und rund um den Globus zu transportieren?
Im Teufelskreis der Globalisierung
Besonders viel Soja kommt aus den USA und den Ländern des südamerikanischen gemeinsamen Marktes Mercosur: Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Brasilien ist seit Jahren der zweitgrößte Sojaexporteur in die EU. Argentinien ist der fünftgrößte Maislieferant der EU. Der europäische Bauernverband COPA COGECA nimmt an, dass Mais aus dem Mercosur aufgrund der niedrigen Produktionskosten europäisches Getreide in der Mischfutterproduktion weiter verdrängen wird.
Die Nachfrage nach Futtermitteln aus Südamerika dürfte durch das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern weiter verstärkt werden. Zwar ist die Einfuhr von Soja in die EU schon heute zollfrei. Durch das Abkommen werden aber argentinische Exportsteuern außer Kraft gesetzt. So wird Soja aus dem Mercosur noch günstiger für EU-Importeure. Argentinien wird also weniger an den Soja-Ausfuhren verdienen, gleichzeitig wird es so noch günstiger, in Europa Fleisch und Milch im Überschuss zu produzieren.
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