März 2017
Kongolesischer Experte: EU Regulierung zu Konfliktmineralien nicht ausreichend
Nur wenige Tage, nachdem das Europäische Parlament, nicht ohne Stolz, die lang umkämpfte Regulierung zu Konfliktmineralien endgültig angenommen hat, holte Biemba Fidel Bafilemba rund 40 Zuhörer in Brüssel, darunter auch mehrere Abgeordnete, wieder in die Wirklichkeit seines Heimatlandes zurück. Fidel Bafilemba vertritt das Netzwerk GATT RN, eine Organisation zur Förderung der Transparenz im Rohstoffsektor, in seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo. Und er kennt die vielen Hürden, die einer wirkungsvollen Umsetzung jeglicher Richtlinien zum verantwortungsvollen Handeln mit Mineralien wie Gold, Wolfram, Zinn und Tantal, entgegenstehen – Rohstoffen, die vor allem in Handys und Laptops zu finden sind, oft aber illegal in Konfliktgebieten und unter Verletzung wesentlicher Menschenrechte gewonnen werden.
Dabei sind es laut Fidel Bafilemba nicht nur die Konflikte selber, die die Lage verschärfen – es ist allem voran auch, man staune: die Bürokratie. Denn am lukrativen Geschäft mit diesen Rohstoffen, das laut verfügbarer Statistik im Jahr 2010 im Kongo rund 24.000 Milliarden Dollar einbrachte, wollen viele mitverdienen. Schier endlos scheint denn auch die Liste der Institutionen, offiziellen Stellen und selbsternannten Autoritäten, die auf Konzessionen und Erträge Steuern erheben und so nach Ansicht des kongolesischen Experten Schwarzmarkt, illegales Schürfen und Betrug nur noch verstärken. Wo beginnt oder endet eine Konzession, welche Warlords haben in welchen Gebieten das Sagen? All das sind häufig ungeklärte Fragen, die auch internationale Initiativen wie der amerikanische Dodd Frank Act oder die jetzt beschlossene EU Regulierung zum Handel mit Konfliktrohstoffen, kaum lösen – auch wenn sie von einigen Politikern, wie etwa dem SPD-Europa-Abgeordneten Bernd Lange, zugleich Vorsitzender des Handelsausschusses, als „Geburtsstunde einer neuen Handelspolitik“ gepriesen werden. Fidel Bafilemba: „Diese Initiativen sind alle gut gemeint, haben aber oft keinen oder nur wenig Effekt, weil es keine hinreichenden Follow-Ups gibt.“
Wenig vielversprechend seien überdies regionale Mechanismen zur Zertifizierung von tatsächlich oder vermeintlich sauberen, also konfliktfreien Minen, so Fidel Bafilemba weiter. „Diese Zertifizierungen werden oft eingeräumt, ohne die regionale Datenlage hinreichend zu kennen. Was wir bräuchten, wäre zunächst eine Formalisierung des Sektors. Da müsste erstmal richtig aufgeräumt werden, bevor man an Zertifizierungen denkt.“ Zudem kritisierte Fidel Bafilemba scharf die „Monopolstellung“ von Rohstoff-Handelssystemen, wie etwa dem Netzwerk ITRI zum Vertrieb von Zinn. Hier müsse dafür gesorgt werden, dass es auf dem Markt auch noch andere Exporteure gebe. Für all das fehle allerdings der politische Wille – vor allem unter der Regentschaft des derzeitigen kongolesischen Präsidenten.
Zusammenfassend sei die EU-Regulierung zu Konfliktmineralien so zwar ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, weise aber weiterhin Unzulänglichkeiten auf. Ähnlich sieht das Frédéric Triest vom European Network for Central Africa (EurAc). Wie schon andere Vertreter von Nichtregierungsorganisationen vor ihm kritisierte Triest erneut, dass die jetzt beschlossene EU-Regulierung nur für den ersten Teil der Lieferkette, also von der Mine bis zum Schmelze, einen verbindlichen Nachweis für den konfliktfreien Abbau verlange – nicht aber für den zweiten Teil, die Importeure der fertigen Produkte, also zum Beispiel auch Unternehmen und Konzerne in der EU. Ebenso würden zu wenig Finanzmittel bereitgestellt, um die gutes Management in den Minen zu fördern und Betrug zu bekämpfen. Auch lokalen Akteuren wird nach Meinung Triests und seinem Netzwerk EurAc von der EU zu wenig Beachtung geschenkt. So erhielten etwa die Congolese Mining Division und der örtliche Überwachungsdienst für kleine Minen, „Supervision Assistance Service for Small-scale Mining“ (SAESSCAM) zu wenig Unterstützung. Stattdessen setze die EU auf einen „top-down approach“ und arbeite vor allem mit internationalen Institutionen, wie der OECD und der Internationalen Konferenz der Großen Seen Region (ICGLR) zusammen. Die vielfach unrühmliche Rolle der kongolesischen Armee beim illegalen Handel mit Rohstoffen werde von der EU-Regulierung ebenfalls nicht erfasst. Und mit Blick auf einen notwendigen, verstärkten Dialog mit der kongolesischen Regierung und den Politikern anderer Länder in der Region für einen verantwortungsvollen Mineralienhandel bleibe die EU-Initiative vage. Immerhin lobte Triest, dass Deutschland bereit sei, 23 Millionen Euro für eine verstärkte Transparenz im örtlichen Minenabbau und zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kontrolle bereit zu stellen.
Marie Arena, sozialdemokratische Europa-Abgeordnete aus Belgien und eine der treibenden Kräfte für ein umfassendes und verbindliches EU-Abkommen zu Konfliktmineralien räumte ein, dass die jetzt getroffene Regulierung noch Schwachstellen aufweise. Sie plädiert dafür, dass „in einem weiteren Schritt“, die Importeure entlang des zweiten Teils der Lieferkette ebenfalls in eine verbindliche Nachweis-Pflicht zur „sauberen Herkunft“ der Rohstoff-Bestandteile ihrer Produkte genommen werden sollten. Trotzdem sei es nun besser, wenigstens eine, wenn auch noch unvollständige, Regulierung zu haben, als gar keine. Gesetzliche Regelungen seitens der EU und die Verbesserung der Bedingungen in den Minen vor Ort, so wie sie der Kongolese Fidel Bafilemba, geschildert hatte, müssten Hand in Hand gehen. Arena: „Was das Parlament jetzt in Straßburg beschlossen hat, ist nur der Anfang.“
Von Monika Hoegen, entwicklungspolitische Fachjournalistin Köln/Brüssel
www.monika-hoegen.de