High Level Political Forum Zweite Sitzung 30.06.-09.07. 2014
Persönliche Eindrücke und Einschätzungen
Marie-Luise Abshagen, Referentin Post-2015-Agenda, Forum Umwelt und Entwicklung, 18.07.2014
Die zweite Sitzung des High Level Political Forum on Sustainable Development (HLPF) fand am 30.06.-09.07. 2014 in New York statt. Der Titel der Sitzung lautete „Achieving the Millennium Development Goals (MDGs) and charting the way for an ambitious post-2015 development agenda including the Sustainable Development Goals (SDGs)”. Repräsentanten aus 193 UN-Mitgliedsstaaten sowie aus internationalen Organisationen, den Major Groups (MG) (NGO, Children and Youth, Women, Business) und andere Stakeholder nahmen an dem Treffen teil. Die Sitzung fand unter der Federführung von ECOSOC statt, und beinhaltete ein dreitägiges Ministersegment.
Das HLPF, welches im letzten September die Commission on Sustainable Development abgelöst hatte und auf Beschluss der Rio+20-Konferenz 2012 gegründet wurde, soll sich laut der Rio+20-Abschlusserklärung und einer Resolution der UN Generalversammlung (UNGA) vom Juli 2013 mit der Überprüfung/ Review der Post-2015-Agenda befassen.
The Future We Want (Rio 2012) zum HLPF:
“We decide to establish a universal intergovernmental high-level political forum, building on the strengths, experiences, resources and inclusive participation modalities of the Commission on Sustainable Development (CSD), and subsequently replacing the Commission. The high-level political forum shall follow up on the implementation of sustainable development and should avoid overlap with existing structures, bodies and entities in a cost-effective manner.”
UNGA Resolution 67/290 (New York 2013) zum HLPF Zusammenfassung von IISD:
“Resolution decided 67/290 that the HLPF, consistent with its intergovernmental universal character, will: • provide political leadership, guidance, and recommendations for sustainable development; • follow-up and review progress in the implementation of sustainable development commitments; • enhance the integration of the three dimensions of sustainable development; and • have a focused, dynamic, and action-oriented agenda, ensuring the appropriate consideration of new and emerging sustainable development challenges. The meetings of the Forum will be convened: • every four years under the auspices of the UNGA at the level of Heads of State and Government—for two days at the beginning of the UNGA session; and • every year under the auspices of ECOSOC—for eight days, including a three-day ministerial segment. Both meetings will adopt negotiated declarations.”
Allgemeine Beobachtung zum HLPF:
Wie der Titel der 2. HLPF-Sitzung schon vermuten ließ, wurde in den offiziellen Sitzungen wenig über die tatsächliche Struktur des HLPF diskutiert, sondern vielmehr über nachhaltige Entwicklung und Elemente der Post-2015-Agenda. Das führte dazu, dass auch am Ende der Sitzung wenig über die Struktur, Aufgabe, und Entscheidungsfähigkeit des HLPF entschieden war.
Erklären lässt sich dies zum einen dadurch, dass das HLPF im Post-2015-Prozess bisher wenig Priorität bei den UN-Mitgliedsstaaten einnimmt. Zum einen wollen viele Staaten erst einmal die Post-2015-Agenda beschließen (und somit abwarten, was tatsächlich darin stehen wird), bevor sie sich auf einen Review-Mechanismus einlassen. Zum anderen sind viele Vertreter derzeit extrem überbelastet, da sich in den letzten Monaten die mit Post-2015 in Verbindung stehenden Termine sehr gemehrt haben. (OWG 12–UNEA–HLPF–OWG 13).
Nichtsdestotrotz liegt die Unklarheit über die Funktion des HLPF aber auch darin, dass extrem unterschiedliche Interessen unter den UN-Mitgliedsstaaten vorherrschen, welchen Status und welchen Einfluss auf die Umsetzung der Post-2015-Agenda das HLPF haben soll. Während einige Staaten der G77 dem HLPF eigene Entscheidungsfähigkeiten zugestehen wollen, wollen andere Staaten, dass Entscheidungen immer über ECOSOC oder die UNGA laufen. Eine Review-Idee besteht bisher darin, den Global Sustainable Development Report als das zentrale Review-Dokument zu etablieren, andere Staaten sind dagegen, auch im Angesicht von andere UN Berichten wie dem UNEP Global Environmental Outlook oder dem Bericht des IPCC. Die Relevanz einer Klärung dieser Fragen darf nicht unterschätzt werden, denn die Art ihrer Überprüfung wird unter anderem Auswirkungen darauf haben, wie intensiv sich die Post-2015-Agenda auf nationale Politik auswirken wird, welche Art von Rechenschaft Staaten ableisten müssen und wie effektiv die Post-2015-Agenda als Ganzen sein kann.
Des Weiteren gibt es auch unter den UN-Organen keine Einigkeit darüber, welche Rolle das HLPF spielen soll. Gerade ECOSOC scheint ein Interesse daran zu haben, die Tätigkeiten und Einflussbereiche des HLPF klein zu halten, auch weil es parallel ein weiteres Gremium betreibt (Development Cooperation Forum), welchem ECOSOC ähnliche Aufgaben wie dem HLPF zuschreibt (Siehe z.B. Rede Wu Hongbo Under-Secretary-General for Economic and Social Affairs beim DCF Germany High-Level Symposium März 2014, Berlin). ECOSOCs Einfluss auf das HLPF wurde schon alleine dadurch sichtbar, das sein Präsident Martin Sajdik fast alle Sitzung des Ministersegments geleitet hat. Aufgrund der Uneinigkeit der Mitgliedstaaten und der UN-Organe ist nicht klar, wie selbstständig das HLPF werden wird und ob jemals mehr als Ministererklärungen verabschiedet werden können.
Abschlussdokument Ministererklärung
Entgegen vieler Erwartungen gab es am Ende der HLPF-Sitzung ein Abschlussdokument, welches in informellen Sitzungen gefertigt wurde und dann zum Ende der HLPF-Sitzung verabschiedet wurde. Im Großen und Ganzen konzentriert sich das Dokument eher auf die Grundlagen der Post-2015-Agenda und von nachhaltiger Entwicklung und weniger auf die Struktur des HLPF.
Zum HLPF steht in der Ministererklärung:
“Reiterate that the high-level political forum under the auspices of the Economic and Social Council, shall conduct regular reviews, starting in 2016, on the follow-up and implementation of sustainable development commitments and objectives, including those related to the means of implementation, within the context of the post-2015 development agenda, and further reiterate that these reviews shall: be voluntary, while encouraging reporting, and shall include developed and developing countries, as well as relevant United Nations entities; be State-led, involving ministerial and other relevant high-level participants; provide a platform for partnerships, including through the participation of major groups and other relevant stakeholders; replace the national voluntary presentations held in the context of the annual ministerial-level substantive reviews of the Council (AMR), building upon the relevant provisions of General Assembly resolution 61/16 of 20 November 2006, as well as experiences and lessons learned in this context.”
Somit ist in der Erklärung schon mal eine Grundlage für die Debatte um den Review-Mechanismus gelegt worden. Immerhin steht im Text, dass man nicht, wie bei ECOSOC auf Annual Ministerial Review zurückgreift, sondern andere, evtl. deutlich umfangreichere Review-Mechanismus nutzen will mit Inklusion von Stakeholdern, Norden und Süden und UN-Organen. Die genaue Rolle der Zivilgesellschaft ist unklar. Auch sind die Reviews freiwillig, und das Thema Rechenschaftspflicht ist nicht geklärt. Welche konkreten Mechanismen gewählt werden, wird nicht weiter ausdefiniert.
Wie auch in der Open Working Group (OWG) war common but differentiated responsibility (CBDR) eines der größten Streitthemen. Die G77 haben sich sehr intensiv dafür eingesetzt, dies in der Ministererklärung zu haben (erfolgreich siehe (Parag. 15)), auch da CBDR aus der Abschlusserklärung der United Nations Environmental Assembly (UNEA) rausgefallen ist. In der Ministererklärung aufgeführt ist ebenso ein Absatz zu den Rechten von Menschen, die unter foreign occupation leben, wobei dieses als Hindernis zur Verwirklichung von nachhaltiger Entwicklung bezeichnet wird (Parag. 25). Dieser Punkt wurde ebenfalls von der G77 eingebracht, mutmaßlich um etwas stehen zu haben, das anstelle von CBDR als Eingeständnis ihrer Seite gestrichen werden könnte. Auch sonst erkennt man einigen Einfluss der G77 in dem Dokument, beispielsweise haben sie sich bei der Frage von Technologietransfer im Dokument durchgesetzt, dort stand zuvor freiwillig, nun nicht mehr.
Weitere Beobachtungen zur Sitzung
Die Sitzung selber war unter anderem auch geprägt von dem Unmut der Major Groups so wenig in den Prozess integriert zu sein. Gerade in der OWG hatten sie eine große Beteiligung erfahren und waren dort insbesondere von den Ko-Chairs als Experten geschätzt. Obwohl die Major Groups entsprechend der UN-Resolution zum HLPF Zugang zu allen offiziellen Sitzungen und Dokumenten haben sollen, befanden sie nun ihre Beteiligung als unzureichend. Offizielle Stakeholder-Sitzungen waren im Vergleich zu der CSD (2 Tage) auf wenige Stunden gekürzt worden, und auch der Zugang zur Diskussion um die Ministererklärung sei unzulänglich gewesen. Noch während der laufenden Sitzung formulierten die MG und das Stakeholder Forum einen Brief, in dem es auf die Befürchtungen der Zivilgesellschaft über ihre zukünftige Beteiligung hinwies. Im Abschlussdokument ist nun das MG-System erwähnt, Genaueres ist unklar.
Ein weiterer, großer Kritikpunkt war die fehlende Einbindung der Parlamente, ausgesprochen beispielsweise von Vertreter der Inter-Parliamentary Union. Zwar gibt es mittlerweile neben den Major Groups auch „other relevant stakeholders“, unter die auch die Parlamente fallen, scheinbar sind die Parlamente allerdings vielfach nur unzureichende in den Post-2015-Prozess involviert, auch weil Regierungen die Parlamente in diesem Prozess zu wenig einbinden.
Fazit
Die Bedeutung des HLPF für den Post-2015-Prozess könnte groß sein, entschieden ist das aber noch nicht. Wichtig ist, wie im Laufe des nächsten Jahres weiter zu Fragen des Review der Post-2015-Agenda gearbeitet wird und dass das HLPF nicht erst in einem Jahr wieder Thema wird. Offen ist noch, wie wichtig die nächste HLPF-Sitzung 2015 werden wird, das entscheidet sich im Laufe des nächsten Jahres, je nachdem was jetzt alles so passiert. Aktiv wird das HLPF ab 2016.
Trotz vieler offener Fragen zum HLPF sollte das Thema Review-Mechanismus nicht unterschätzt werden. Sind die Ziele erst einmal verabschiedet, wird sich an der Qualität des Reviews zeigen, wie ernst die Umsetzung der Ziele genommen wird. Dazu ist es auch wichtig, dass die Diskussion über die Art des Reviews nicht erst 2016 beginnt, sondern das HLPF dann mit der Arbeit beginnen kann. Als Zivilgesellschaft sollten wir uns demnach mit der Frage befassen, auf welche Weise wir ein möglichst gutes Ergebnis in der Etablierung des Review-Mechanismus erreichen können, welches unsere Kernanliegen dabei sind und auf welche Weise wir uns einbringen können. Eine genauere Auseinandersetzung mit dem HLPF im Laufe des nächsten Jahres kann außerdem hilfreich sein, um die Fortführung des Post-2015-Prozesses bis 2015/16 nachvollziehen zu können.
Vorbereitung Post-2015-Gipfel UNGA 2015
Parallel zum HLPF liefen informelle Gespräche zu den Modalitäten für den UN-Gipfel zur Verabschiedung der Post-2015-Agenda im Rahmen der UNGA September 2015. Unklar, weil unterschiedliche Interessenslagen, bleibt: Soll es ein „normaler“ UN-Gipfel werden mit Statements und z.B. wenig Beteiligung der Zivilgesellschaft oder eher so dynamisch wie die OWG oder noch anders? Man hat bewusst bisher noch nicht diskutiert, wie es aber bis dahin weitergehen soll (UNGA Sep 2014-UNGA Sep 2015), evtl. wird da auch der Synthese-Bericht von Ban Ki Moon abgewartet, der spätestens im Dezember erscheinen soll. Bis ca. Sep. wird die OWG ihren Bericht vorlegen. Dabei kommt es darauf an, wie sehr er sich auf den OWG-Text stützt, welche Texte zusammengefasst werden (HLP-Bericht?), ob er noch etwas herausnimmt oder es ganz anders formuliert. Dann wird erst entschieden, ob und wie es zwischenstaatliche Verhandlungen geben wird. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft im Post-2015-Prozess ab Ende der OWG ist unklar.
Weitere Informationen zum HLPF
Marianne Beisheim (2014): The Future HLPF Review: Criteria and ideas for its institutional design, SWP. http://www.swp-Berlin.org/fileadmin/contents/products/arbeitspapiere/Beisheim_FG08Working_Paper_Review_140306.pdf
IISD (2014): Summary of the Second Meeting of the High Level Political Forum on Sustainable Development : 30.06.2014-09.07.2014. http://www.iisd.ca/download/pdf/enb3309e.pdf
Steven Bernstein et al (2014): Coherent Governance, the UN and the SDGs, Post2015/UNU-IAS Policy Brief #4. http://www.post2015.jp/dl/result/seika_140624_4.pdf
Offizielle HLPF Seite http://sustainabledevelopment.un.org/index.php?menu=1556
Marie-Luise Abshagen ist mitgereist für das Ministersegment in der deutschen Delegation als eine von zwei NGO-Vertreterinnen.