Forum Weltsozialgipfel, Forum Umwelt & Entwicklung, Verband Entwicklungspolitik Deutscher NRO (VENRO)
Kurzfassung der Forderungen deutscher Nichtregierungsorganisationen im Hinblick auf die III. UN-Konferenz zur Lage der am wenigsten entwickelten Länder (UN-LDC), 14. – 20. 5. 2001 in Brüssel
Vom 14. – 20. Mai 2001 findet in Brüssel die 3. UN-Konferenz zur Lage der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries / LDC) statt. Die Konferenz soll ein Aktionsprogramm verabschieden, das konkrete Maßnahmen der LDC und der internationalen Gemeinschaft bestimmt, durch die die Entwicklungsperspektiven dieser Länder und ihrer Bevölkerung verbessert werden sollen. Deutsche Nichtregierungsorganisationen, die im Verband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (VENRO), im Forum Umwelt und Entwicklung und im Forum Weltsozialgipfel zusammengeschlossen sind, legen hiermit ihre Forderungen an die Bundesregierung und die Europäische Union in Bezug auf drei Verpflichtungen (Nr. 3, 5 und 7) vor, die im Entwurf des UN-Aktionsprogramms enthalten sind.
Verpflichtung 3: Förderung menschlicher Fähigkeiten
Im Interesse einer wirksamen globalen Armutsbekämpfung durch soziale Investitionen in den ärmsten Ländern fordern wir von der Bundesregierung
- eine proaktive Umsetzung des 20/20-Beschlusses des Weltsozialgipfels als Mittel zur Armutsbekämpfung.
- Die Bundesregierung soll im Rahmen der Umsetzungsregelungen für den Aktionsplan 2015 einen Zeitplan zur Anhebung des Anteils der Förderung sozialer Grunddienste in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit vorlegen, so dass spätestens im Jahr 2005 20% der Entwicklungshilfe für diesen Sektor der Armutsbekämpfung aufgewendet werden.
- einen Vorrang der Menschenrechte vor Patentrechten: für eine entwicklungsverträgliche Anwendung des TRIPS-Abkommens.
- Um der Notwendigkeit einer verstärkten Bekämpfung von Krankheiten und Epidemien (insbesondere AIDS) und des dafür erforderlichen kostengünstigen bzw. kostenlosen Zugangs zu Impfstoffen und Arzneimitteln, wie sie der UN-LDC-Aktionsplan fordert, zu entsprechen, sollte sich die Bundesregierung bei der laufenden Überprüfung des WTO-Vertrages über geistige Eigentumsrechte (TRIPS) dafür einsetzen, dass Patentrechte insbesondere nicht in Widerspruch zu grundlegenden Menschenrechten, wie den Rechten auf Gesundheit und Nahrung geraten.
Verpflichtung 5: Globalisierung für LDC nutzbar machen
Im Interesse einer globalen Armutsbekämpfung in den ärmsten Ländern durch deren wirksamere Beteiligung am Welthandel fordern wir von der Bundesregierung und der Europäischen Union verbindliche Zugeständnisse in der Welthandelspolitik. Um die Welthandelspolitik stärker an den Interessen der ärmeren Länder zu orientieren, sollte die EU eine Vorreiterrolle für eine glaubwürdigere Handelspolitik gegenüber dem Süden einnehmen, d.h.
- verbindliche Festschreibung der beschlossenen EU-Marktöffnung für LDC-Produkte
- Vereinfachung der Herkunftsregeln für Produkte aus LDC
- Unterstützung einer aktiven Interessensvertretung von LDC in den internationalen Standardisierungsgremien
- Ausweitung der finanziellen Unterstützung für die handelspolitische Beratung und Unterstützung der LDC
- Einsatz für erweiterte Schutz- und Unterstützungsrechte für die Landwirtschaft in LDC bei den WTO-Agrarverhandlungen
- Einsatz für eine Änderung des WTO-TRIPS-Abkommens, die bei kommerzieller Nutzung genetischer Ressourcen einen besseren Schutz traditionellen Wissens über deren Nutzung vorsieht sowie eine bessere Kompensation der traditionellen Nutzer gewährleistet.
Verpflichtung 7: Mobilisierung finanzieller Ressourcen und Armutsbekämpfung in den ärmsten Entwicklungsländern
Entwicklungsfinanzierung
Im Interesse einer wirksamen globalen Armutsbekämpfung in den ärmsten Ländern fordern wir von der Bundesregierung
- eine deutlichere Schwerpunktsetzung deutscher und europäischer Entwicklungshilfe auf die Förderung der ärmsten Länder und ihrer Bevölkerung
- Bundestag und Bundesregierung sollen dafür Sorge tragen, dass bis 2010 der Anteil der LDC-Förderung am BSP von heute 0,05% auf 0,15% gesteigert wird. Diese Finanzmittel sollen überwiegend für die unmittelbare Armutsbekämpfung eingesetzt werden.
- die Erschließung neuer Finanzquellen für die globale Armutsbekämpfung durch internationale Steuern auf Devisenspekulationen.
- Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, dass eine internationale Steuer auf Devisenspekulation erhoben wird und die Erlöse gezielt für die direkte Armutsbekämpfung in LDC und anderen Entwicklungsländern bereitgestellt werden.
Entschuldung
Im Interesse einer wirksamen globalen Armutsbekämpfung durch eine substantielle Schuldenreduzierung fordern wir von der Bundesregierung, sich einzusetzen für
- eine Öffnung der Initiative für hochverschuldete arme Länder (HIPC) für alle LDC mit einer kritischen Verschuldungssituation,
- eine rasche Streichung aller Forderungen öffentlicher Gläubiger gegenüber überschuldeten LDC,eine flexible Fortschreibung der Kriterien für Schuldentragfähigkeit mit der Perspektive, dass die Gesamtverschuldung eines Landes nicht mehr als 50 Prozent der jährlichen Exporteinnahmen beträgt,
- die notwendigen Spielräume der Regierungen von Schuldnerstaaten, damit diese die durch Schuldenreduzierung freiwerdenden Mittel entsprechend nationalen Prioritäten zur Armutsbekämpfung einsetzen können,
- ein sofortiges Moratorium der Schuldendienstzahlungen von LDC, wie es der Entwurf des UN-Aktionsplans vorschlägt,
- faire und transparente Schiedsverfahren – analog zu nationalen Insolvenzverfahren – bei Zahlungsschwierigkeiten von Schuldnerländern.
Umsetzung des Aktionsplans
Im Interesse einer wirksamen globalen Armutsbekämpfung in den ärmsten Ländern durch eine nachhaltige Überprüfung der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene fordern wir von der Bundesregierung
- sich auf internationaler Ebene für eine wirksame Überprüfung der Realisierung der von der III. UN-LDC-Konferenz vereinbarten Maßnahmen einzusetzen und
- eine enge Verknüpfung zwischen dem Monitoring der Umsetzung des Aktionsplans 2015 (Beitrag der Bundesregierung zur weltweiten Minderung extremer Armut) und der Realisierung des Aktionsplans der III. UN-LDC-Konferenz herzustellen.