Pressekonferenz am 31.8.2007
Die UN-Verhandlungen über biologische Vielfalt brauchen neuen Schwung, um die Heraus-forderung des Schutzes und der nachhaltigen Nutzung biologischer Vielfalt endlich voran-zubringen.
„Wenn der jetzige Trend nicht gestoppt wird, droht durch die Zerstörung ihrer Lebensräume und durch die Folgen des Klimawandels in den nächsten 25 Jahren weltweit die Ausrottung von 1,5 Millionen Tier- und Pflanzenarten“, mahnte DNR-Generalsekretär Helmut Röschei-sen. Bei der 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention biologische Vielfalt am 19. bis 30. Mai 2008 in Bonn müssen weitreichende Entscheidungen getroffen werden, um den Rück-gang der biologischen Vielfalt zu stoppen.
Der größte Teil der Biodiversität befindet sich in Entwicklungsländern. „Die völkerrechtlich verbindliche Regelung eines gerechten Vorteilsausgleiches bei deren Nutzung muss bei der Bonner Konferenz als ein weiteres entscheidendes Thema vorangebracht werden, sonst be-steht die Gefahr, dass die Konferenz scheitert“, betonte Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung. Erforderlich ist ferner die Entwicklung von Nachhaltig-keitskriterien beim Ausbau nachwachsender Rohstoffe und Energiepflanzen.
In folgenden zentralen Bereichen müssen bei der COP9 Fortschritte erzielt werden:
1. Weltweites Schutzgebietsnetz für Wälder und Meere
Wir brauchen ein weltweites wirksames System von Schutzgebieten. Eine entscheidende Herausforderung für die Bonner Konferenz ist die Weichenstellung für ein globales Netz-werk von Schutzgebieten auf der Hohen See jenseits der nationalen Zuständigkeiten in allen Weltmeeren und der Erhalt der letzten intakten Urwaldgebiete und anderer für die Sicherung der Biodiversität bedeutsamen Wälder.
In Entwicklungs- und Schwellenländern entlang des Äquators ist der Schutz von Wäldern (tropische Regenwälder, Sumpf- und Moorwälder) besonders wichtig und dringend. Es müs-sen rechtliche, wirtschaftliche und finanzielle Mechanismen effizienter eingesetzt werden, um die weitere Entwaldung der Tropen zu verhindern:
- Die großflächige Abholzung der tropischen Wälder muss gestoppt werden, um die biologische Vielfalt zu sichern und den CO2-Ausstoß als Beitrag zum Klimaschutz drastisch zu verringern
- der illegale Holzeinschlag muss gestoppt werden und der kriminelle Holzhandel darf nicht straffrei bleiben
- umweltschädliche Subventionen, vor allem im Agrar- und Forstbereich, müssen be-seitigt werden
- neue Finanzierungsinstrumente wie z.B. sog. Trust Funds müssen eingeführt werden.
Wichtig ist zudem, dass die Rechte der indigenen Völker bei der Ausweisung von Waldschutzgebieten gewahrt werden.
Für die Meeresgebiete ist ein Netz an marinen Schutzgebieten nach der UN-Seerechtskonvention schnellstmöglich einzurichten. Die COP9 soll dafür die Kriterien festlegen.
2. Gerechter Ausgleich für die Nutzung der biologischen Vielfalt
Mit der CBD haben die Vertragsstaaten den gerechten Vorteilsausgleich aus der Nutzung genetischer Ressourcen verbindlich vereinbart. Traditionelles Wissen von lokalen Gemeinschaften und indigenen Volksgruppen ist integraler Bestandteil der biologischen Vielfalt.
Eine völkerrechtlich verbindliche Regulierung über den Vorteilsausgleich (Access and Be-nefit Sharing, ABS) wird seit Jahren von den Biotechnologie-Industrien der Industriestaaten abgelehnt und von deren Regierungen in den ABS-Verhandlungen blockiert. Sie haben ein Interesse daran dass ein ABS-Regime weder den Zugang zu genetischen Ressourcen ein-schränkt noch die Asymmetrie der Patentgesetze verändert.
Die COP9 muss endlich den Durchbruch zu einem völkerrechtlich verbindlichen Regime zum gerechten Vorteilsausgleich verabschieden. Dabei sind, insbesondere zur Unterstützung von Bauern und indigenen Gemeinschaften, folgende Eckpunkte von Bedeutung:
Ziel: Die Unterstützung der Rechte von Bauern und indigenen Gemeinschaften
- Es muss garantiert sein, vor der Nutzung genetischer Ressourcen (z.B. für Heilpflan-zen) die Zustimmung indigener Völker, lokaler Gemeinschaften und Staaten, aus de-nen die genetischen Ressourcen stammen, einzuholen – “free and prior informed con-sent (PIC)”;
- Es muss das Recht garantiert sein, den Zugang zu genetischen Ressourcen und dem traditionellen Wissen abzulehnen (“right to say no”);
- Es muss rechtlich abgesichert sein, dass eine faire Verteilung der (ökonomischen) Vorteile erfolgt. Verstöße müssen auch in den Industrieländern verfolgt und geahn-det werden;
- Ein Herkunftsnachweis für biologisches Material und daraus entwickelter Produkte muss verpflichtend werden und gegebenenfalls dem Patentrecht übergeordnet wer-den. Ziel des Herkunftsnachweises ist es, bei Vermarktung und gegebenenfalls Pa-tentierung, Biopiraterie verfolgen zu können. Grundsätzlich sind Nichtregierungsor-ganisationen jedoch der Auffassung, dass die biologische Vielfalt ein Gemeingut ist, dessen Nutzung nicht durch Patente monopolisiert werden darf. Deshalb fordern Nichtregierungsorganisationen „Kein Patent auf Leben!“
3. Gewährleistung der biologischen Sicherheit bei der Gentechnik
Das Cartagena Protokoll über biologische Sicherheit trat im September 2003 als Unter-abkommen der CBD in Kraft. Im Protokoll ist vorgesehen, dass innerhalb von 5 Jahren
Haftungsregeln erarbeitet und beschlossen werden, d.h. die Entscheidung wird 2008 in Bonn fallen müssen. Es ist deshalb höchste Zeit, das Thema für die Mitgliedsstaaten (Members to the Protocol) als höchste Priorität einzustufen.
Die Tatsache, dass die drei Hauptexportstaaten für genmanipulierte Organismen das Proto-koll nicht ratifiziert haben, darf nicht zum Anlass genommen werden, nichts zu tun und die möglichen Opfer schutzlos zu lassen.
Die zentrale Forderung an die Verhandlungen während der 4. Konferenz der Mitgliedsstaa-ten des Cartagena Protokolls (sog. MOP 4) ist deshalb die Verabschiedung eines Gefähr-dungshaftungsregimes (Strict Liability Regime) für ökologische, gesundheitliche und sozio-ökonomische Schäden. Außerdem müssen rechtliche Zugriffsmöglichkeiten auf Ex-porteure und Hersteller gentechnisch veränderter Organismen bestehen.
Auch das Gastgeberland Deutschland muss bis zur COP9 noch seine Hausaufgaben erledi-gen. Die Umsetzung der vom Bundeskabinett noch zu verabschiedenden umfassenden nati-onalen Biodiversitätsstrategie muss energisch vorangetrieben werden, um der weiteren Zer-störung der Biodiversität durch Verkehrswege und Baumaßnahmen, sowie durch die inten-sive Land-, Forst- und Fischereibewirtschaftung Einhalt zu gebieten.
Für weitere Informationen:
Dr. Helmut Röscheisen, Deutscher Naturschutzring,
Tel. 0228 – 35 90 05, mobil: 0160 – 97 209 108
Jürgen Maier, Forum Umwelt und Entwicklung,
Tel. 0228 – 35 97 04, mobil: 0171 – 383 61 35
Forum Umwelt & Entwicklung,
CBD COP 9/MOP 4 Projektbüro
Günter Mitlacher
Am Michaelshof 8-10 – 53177 Bonn
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