An alle aktiven Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen im Bereich nachhaltiger Landwirtschaft, Gentechnik und geistigen Eigentumsrechten:
Seit 5 Jahren laufen bei der FAO Verhandlungen über ein revidiertes Vertragswerk mit dem Namen: Internationale Übereinkunft zu pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, hier IU (International Undertaking) genannt. Diese Verhandlungen haben zum Ziel, eine bisher unverbindliche Übereinkunft in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zu überführen. Das IU, das den Bereich der Kulturpflanzenvielfalt regelt, existiert seit 1983 bei der FAO. Es soll jetzt rechtlich kompatibel werden mit den Bestimmungen der Konvention zur Biologischen Vielfalt (sog. CBD). Dieses Vertragswerk soll, falls es zu einem erfolgreichen Verhandlungsergebnis kommt, als Protokoll von der Vertragsstaatenkonferenz der CBD verabschiedet werden, ähnlich wie das Biosafety Protokoll. Dann ist es verbindlich.
Die Verhandlungen befinden sich in einer sehr kritischen Phase, weil sie im nächsten Halbjahr erfolgreich beendet werden müssen, nachdem man schon seit 5 Jahren zu keiner Einigung gekommen ist; sonst scheitern sie aller Voraussicht nach. Ein Scheitern wäre ein schwerer Rückschlag für ein freies internationales System des Austausches von pflanzengenetischen Ressourcen, für die Eigentumsrechte an ihnen in öffentlicher Hand und in der Hand der ursprünglichen Züchter, nämlich den traditionellen Bauerngemeinschaften und indigenen Völker, und für die Anliegen nichtkommerzieller Züchtungs- und Erhaltungsanstrengungen alter Landsorten durch Bauern und andere Interessierte.
Das Vertragswerk wäre dazu geeignet, einen großen Anteil der gesammelten Schätze an Kulturpflanzenvielfalt der privaten Aneignung durch Patente oder durch das Sortenrecht zu entziehen. Eine Bestimmung würde z.B. ausschließen, dass Material, das aus diesen Genbanken oder In-Situ-Beständen stammt, patentiert werden kann.
Die sog. Farmers’ Rights (Rechte der Bauern an ihrem Saatgut) sind ein wichtiger Bestandteil dieses Vertragswerks. In dem entsprechenden Artikel wird zugestanden, dass es die Bauernkulturen der vergangenen Jahrtausende waren, die die Kulturpflanzenvielfalt hervorgebracht und bewahrt haben, und die auch weiterhin dafür sorgen, dass diese Ressourcen existieren und weiterentwickelt werden. Diese bäuerlichen Aktivitäten sind besonders in den Entwicklungsländern wichtig, wo sich Semisubsistenzbauern und politisch bewusste Kleinbauernorganisationen gegen die Abhängigkeit von internationalen Saatgutkonzernen wehren. Die Bedeutung der traditionellen Sorten für die Ernährungssicherung wird speziell von diesem Artikel anerkannt, und die Regierungen werden aufgefordert die Erhaltungsinititativen zu fördern. Die Bauern sollen Anreize erhalten, mit ihrer traditionellen Saatgutpflege fortzufahren. Diese Anreize sollen teilweise finanziert werden von den Nutzern der genetischen Ressourcen, sprich den Saatgut- und Gentechnikkonzernen. Da eine direkte individuelle Zuordnung von Nutzung und Herkunft im Saatgutbereich aber kaum möglich ist, wird das in der Regel passieren über einen multilateralen Fonds, der gespeist wird aus Einzahlungen von Regierungen der Hauptnutzerstaaten, und aus dem Projekte und Programme zur Unterstützung von In-situ on-farm Generhaltung und informeller Züchtung finanziert werden.
Sehr viel Druck muss auf die Regierungen ausgeübt werden, damit diese Verhandlungen über ein effektives Vertragswerk in den nächsten 12 Monaten erfolgreich zu Ende gebracht werden. Bisher haben diese Verhandlungen kaum eine öffentliche Aufmerksamkeit gefunden. Informierte NROs des Saatgut- und Agrarbereichs haben in verschiedensten Erklärungen und auf verschiedensten Foren dazu aufgerufen, diese Verhandlungen sehr viel ernster zu nehmen, und sie bitten speziell die Entwicklungs-NROs aktiv zu werden. So geschehen beim Global Forum zur Internationalen Agrarforschung im Mai 2000 in Dresden, oder bei der 5. Vertragsstaatenkonferenz der CBD in Nairobi im Mai 2000.
In der Anlage schicke ich Ihnen den Entwurf eines Positionspapiers zu diesem International Undertaking, für das wir Unterschriften sammeln. Wir möchten Sie bitten, in Ihren Organisationen und auch als Individuum dieses Positionspapier zu zeichnen, damit wir es dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten noch vor der Oktobersitzung des FAO-Ausschuss präsentieren können. Wir wollen auch in einer öffentlichen Tagung auf der Internationalen Grünen Woche am 22.1.2001 in Berlin mit den deutschen Unterhändlern über diese Positionen und über den Stand der Verhandlungen bzw. die Rolle, die die Bundesregierung spielt, diskutieren.
Diese Verhandlungen sind besonders wichtig im Zusammenhang mit dem Review des TRIPS-Abkommens 27, 3b, bei dem es um Fragen der geistigen Eigentumsrechte bei Kulturpflanzen geht. Vor allem das dort festgehaltene Suis-generis-Recht für eine eigenständige Rechtsprechung erfährt durch den International Undertaking eine konkrete Ausformung, weil hier den geistigen Eigentumsrechten der Züchter (und Konzerne) die geistigen Eigentumsrechte der traditionellen Bauerngemeinschaften wenigstens ansatzweise entgegengesetzt werden. Eine Reihe von Entwicklungsländer haben schon Gesetze verabschiedet oder in Vorbereitung, die die Farmers’ Rights durch nationale Gesetzgebung auszubauen versuchen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich unserem Aufruf bis Ende September anschließen würden und Ihr Interesse an diesen Aktionen bekunden würden. Wir halten Sie gerne auf dem Laufenden.