Rundbrief II/2022: Mit voller Kraft rückwärts?

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Rundbrief II/2022: Mit voller Kraft rückwärts?

 

Am 24. Februar begann Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine. Dieser Krieg bedroht das Leben von Millionen Menschen in der Ukraine. Weltweit leiden weitere Millionen unter den vielfältigen Auswirkungen. Und überall trifft es die Armen wie immer am stärksten. Anstatt die sozialen Verwerfungen, die der Krieg mit sich bringt, mit gezielten politischen Maßnahmen abzufedern, drehen sich die hiesigen Debatten und politischen Prozesse einmal mehr um wirtschaftliche Interessen. Außerdem herrscht vor allem im Globalen Norden exklusive Solidarität und eine Doppelmoral. Als erster europäischer Krieg seit 1945 wurde der russische Angriff bezeichnet. Die Kriege in Zypern, Jugoslawien und Tschetschenien werden ausgeblendet, ebenso wie viele Kriege weltweit. Auch gab es noch keine Verurteilungen des NATO-Partners Türkei für die ständigen Angriffe auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien und Nordirak.

 

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Am 24. Februar begann Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine. Dieser Krieg bedroht das Leben von Millionen Menschen in der Ukraine. Weltweit leiden weitere Millionen unter den vielfältigen Auswirkungen. Und überall trifft es die Armen wie immer am stärksten. Anstatt die sozialen Verwerfungen,
die der Krieg mit sich bringt, mit gezielten politischen Maßnahmen abzufedern, drehen sich die hiesigen Debatten und politischen Prozesse einmal mehr um wirtschaftliche Interessen. Außerdem herrscht vor allem im Globalen Norden exklusive Solidarität und eine Doppelmoral. Als erster europäischer Krieg seit 1945 wurde der russische Angriff bezeichnet. Die Kriege in Zypern, Jugoslawien und Tschetschenien werden ausgeblendet, ebenso wie viele Kriege weltweit. Auch gab es noch keine Verurteilungen des NATO-Partners Türkei für die ständigen Angriffe auf die kurdischen Gebiete in Nordsyrien und Nordirak.

 

Nichts davon entschuldigt den russischen Aggressor, es zeigt aber auf, dass die Welt komplexer ist als die Kategorien Gut und Böse. In diesem Rundbrief haben wir verschiedene Perspektiven auf den Krieg gegen die Ukraine und seine Folgen gesammelt. Ganz besonders freuen wir uns, dass wir drei ukrainische NGOs und
ihre Perspektive auf den Krieg und das Verhalten der internationalen Staatengemeinschaft in den Rundbrief integrieren konnten. Zudem freuen wir uns, dass wir mit Nelya Rakhimova auch eine Stimme aus der seit Jahren unter Druck stehenden russischen Zivilgesellschaft im Rundbrief aufnehmen konnten.

 

Lena Bassermann und Lena Luig widmen sich der Frage, wie stark die Welternährungskrise ausfallen wird. Diese Krise wird als Rechtfertigung genutzt, um Klima- und Naturschutzziele infrage zu stellen. Dies und die Transformation der Landwirtschaft beleuchtet Lavinia Roveran in ihrem Artikel. Über die Abhängigkeiten
der deutschen Industrie von russischen Rohstoffen und die Dringlichkeit, endlich eine wirkliche Rohstoffwende zu beginnen, schreiben jeweils Michael Reckordt und Tschin Ilya Chardayre sowie Josephine Koch. Einen genauen Blick auf unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wirft Andy Gheorghiu und zeigt dabei, dass ein Ausbau von LNG-Terminals nicht der Bevölkerung, sondern vor allem der petrochemischen Industrie nutzt. Jürgen Maier zeigt die Schwierigkeiten der multilateralen Politikprozesse unter grundsätzlichen geopolitischen Differenzen auf und was dies für eine globale Umwelt- und Entwicklungspolitik heißt. Aus wissenschaftlicher Perspektive analysiert Dr. Christian von Soest die Effektivität der Sanktionsmaßnahmen gegen Russland, die als Mittel zwischen Worten und einem Eingriff in den Krieg stehen. Auf die Auswirkungen der finanzpolitischen Sanktionen auf die Weltökonomie und die globalen Finanzinstitutionen geht Wolfgang Obenland in seinem Artikel ein. Roberto Bissio erklärt uns, warum viele Länder des Globalen Südens die Sanktionspolitik der USA und Europas nicht mittragen und wie das mit der europäischen Doppelmoral zusammenhängt. Dass der Ukraine-Krieg auch in Deutschland am stärksten die Armen trifft und warum die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Entlastung nicht helfen, zeigt Dr. Andreas Aust auf. Dass Krieg ein patriarchales Machtinstrument und damit nicht nur Hindernis, sondern auch Bedrohung für eine globale Geschlechtergerechtigkeit ist, erklärt uns Carsta Neuenroth. Sie erläutert auch, wie feministische Außenpolitik Sicherheit für alle Menschen gewährleisten kann. Prof. Dr. Jürgen Scheffran geht der Frage nach, warum der Ukraine-Krieg eine Zeitenwende markiert und wie die Zivilgesellschaft Teil einer Wende zum nachhaltigen Frieden sein kann. Dass unsere Wahrnehmung und unser Interesse häufig selektiv sind und damit einhergehend auch Berichterstattung selektiv stattfindet, wird in zwei Artikeln thematisiert. Sabine Wilke zieht ein Resümee der globalen Berichterstattung und benennt die vergessenen Krisen unserer Zeit. Axel Grafmanns analysiert den unterschiedlichen Umgang mit Geflüchteten, der sich vor allem je nach Hautfarbe unterscheidet.

 

In unserem Teil Aktuelles aus dem Forum finden sich gleich mehrere taufrische Berichte internationaler Konferenzen und Verhandlungen. So schreibt Christian Schwarzer über die neuesten Entwicklungen bei der Erarbeitung einer neuen Biodiversitätskonvention. Fabian Flues berichtet über die Abschlussphase der
Reformverhandlungen des Energiecharta-Vertrages. Nelly Grotefendt schreibt über die WTO-Konferenz und ein Abschlusspapier, das niemanden zufrieden stellte. 30 Jahre nach der Rio-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung zeigt Gerd Oelsner auf, dass die Zivilgesellschaft und die Kommunen maßgebliche Treiber für
Nachhaltigkeitspolitik sind. Über Hürden und Möglichkeiten von Sustainable Financing schreibt Magdalena Senn. Zu guter Letzt klärt uns Miriam Stahlhacke über die Ergebnisse des G7-Gipfels auf, der einmal mehr gezeigt hat, dass zivilgesellschaftliche Einflussnahme auf diesen exklusiven Club nicht erwünscht ist.

 

Eine wie immer spannende Lektüre wünschen

 


Eileen Roth                          Tom Kurz

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