Die ergebnislose Vertagung der 6. Vertragsstaatenkonferenz der Klimakonvention hat einmal mehr die Grenzen des konsensorientierten Politiksystems der Vereinten Nationen gezeigt. Wenn es darum geht, guten Willen zu zeigen, sind alle schnell dabei. Geht es aber ans Handeln, erinnert einen das UN-System rasch an »organisierte Verantwortungslosigkeit«. Sicher – die UNO kann auch nicht besser sein als die Summe ihrer Mitgliedsstaaten. Dennoch muss man sich die Frage stellen, ob die Art und Weise, in der die Regierungen beispielsweise im Rahmen der Klimakonvention Politik machen, nicht möglicherweise auch dazu beiträgt, dass tatsächliches Handeln wenigstens einiger Staaten unnötig verzögert wird. Wenn immer der Langsamste das Tempo aller bestimmt, stellt sich irgendwann die Frage, wann es sinnvoller ist, auf diese Leute nicht mehr zu warten. In Sachen Klimapolitik ist dieser Zeitpunkt nun wohl erreicht. Die EU ist gefordert, ihre 8% Reduktionsverpflichtung notfalls auch ohne USA und Japan, ohne rechtskräftiges KyotoProtokoll zügig umzusetzen. Während selbst die größten Ignoranten die Zeichen des beginnenden Klimawandels nicht mehr leugnen können, werden die UN-Klimaverhandlungen von immer findigeren Vorschlä- gen geprägt, wie sich eine Handvoll Staaten um konkrete Klimaschutzmaßnahmen drücken können. In einer idealen Welt würden die übrigen Akteure allein schon deshalb irgendwann aktiv werden, weil solche Aktivitäten auch im eigenen Interesse liegen. In der Realität sieht es aber so aus, dass das Nichtstun des einen nur allzu gern zur Ausrede dafür wird, selber auch nichts zu tun. Die sonst so vielbeschworene nationale Souverä- nität löst sich da ganz schnell in Nichts auf. »Kanada wird das Kyoto-Protokoll nicht ratifizieren, wenn der US-Senat nicht ratifiziert.« Welch armseliges Land, das von so unselbständigen Politikern geführt wird. Wenigstens in Europa sollten wir diesen Virus erfolgreich bekämpfen können. Unser Schwerpunktthema Klimapolitik in diesem Heft beleuchtet u.a. die (Nicht-) Ergebnisse von Den Haag von verschiedenen Seiten. Im Mai wird die am 25. November nicht beendete, sondern nur unterbrochene Konferenz fortgesetzt. Ähnlich sah es vor Jahresfrist bei den Verhandlungen zum Biosafety-Protokoll aus. In der entscheidenden Konferenz war, auch hier hauptsächlich wegen den USA, auch nach durchwachter Nacht keine Einigung möglich. Die Fortsetzungs-Konferenz brachte schließlich doch das Protokoll zustande, hauptsächlich deshalb, weil EU und Entwicklungsländer gegen den massiven Druck der USA und Kanada standhaft blieben. Ein wichtiger Bestandteil der im nächsten Jahr anlaufenden Zehnjahresbilanz des Rio-Prozesses scheint mir vor diesem Hintergrund zu sein, das Verhältnis multilateraler Verhandlungen zu unilateralen Maßnahmen kritisch zu hinterfragen. Ohne ein gewisses Maß an nationalen Vorreitern dürften in kaum einem Verhandlungsprozess Fortschritte zu erzielen sein. Inzwischen gibt es fast überall kaum noch Vorreiter, aber immer genug Bremser. Mir drängt sich jedenfalls die Frage auf, ob nicht auch Nichtregierungsorganisationen vor lauter Fixierung auf internationale Verhandlungen möglicherweise versäumt haben könnten, z.B. stärker darauf zu drängen, dass das eigene Land unabhängig von solchen Verhandlungsrunden in Sachen Umweltund Entwicklungspolitik neue Maßstäbe setzt. Wenn Helmut Kohl 1992 ganz ohne Kyoto-Protokoll ankündigen konnte, dass Deutschland bis 2005 seine Kohlendioxid-Emissionen um 25% reduzieren wird, kann man heute vergleichbar ambitionierte Ziele von anderen Leuten schließlich auch erwarten. Begonnen haben nun auch die Verhandlungen für die im nächsten Jahr stattfindende UN-Konferenz zur Zukunft der Entwicklungsfinanzierung. Schärfer werdende Nord-Süd-Kontroversen bestimmen mittlerweile nahezu alle globalen Verhandlungen. Angesichts der real weiter sinkenden Entwicklungshilfeleistungen verweigern sich immer mehr Entwicklungsländer konstruktiver Mitarbeit bei einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung. Der Norden muss sich hier dringend etwas mehr einfallen lassen als das gebetsmühlenartige Beschwören der wachsenden Bedeutung privater Auslandsinvestitionen. Siehe hierzu den Bericht von Jens Martens. Positives gibt es dagegen – buchstäblich in letzter Minute – von den Verhandlungen über eine Konvention zum Verbot gefährlicher Chemikalien (POPs) zu vermelden [s. hierzu auch Rundbrief 1/2000]. Nach einer ebenfalls durchwachten Nacht – ohne ein gewisses Maß physischer Erschöpfung scheint in der UNO nichts mehr voranzugehen – vermeldete die 5.Verhandlungsrunde in Johannesburg nun einen Vertragstext, der im nächsten Jahr paraphiert werden soll. Ein Bericht hierzu folgt allerdings erst im nächsten Heft. Während diese Ausgabe des Rundbriefs in Produktion geht, beginnt in Bonn die 4. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung – leider zu spät, um in diesem Heft noch Artikel unterbringen zu können.
Jürgen Maier
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