Die im Dezember in Bonn stattfindende 4.Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Bekämpfung der Desertifikation ist der Anlass, den Schwerpunkt des Rundbriefs auf dieses Thema zu legen. Desertifikation – allein schon der Begriff geht vielen schwer über die Lippen. Gemeint ist die Wüstenbildung: Unangepasste Landnutzung im Verbund mit Klimaänderungen verwandeln einst fruchtbare Landstriche zunehmend in Steppen, Halbwüsten und schließlich Wüsten. Vielen sind die Hungerbilder aus der Sahelzone noch in Erinnerung, wo dieser Prozess zum ersten Mal eindrücklich der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt wurde. Aber auch in Regionen wie Brasilien, Zentralasien oder selbst Südspanien ist dieses Phänomen zu beobachten, und es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch in Regionen mit einst üppiger tropischer Vegetation wie Indonesien Desertifikation zu beobachten sein wird. An sich ist also Desertifikation wie kaum ein anderer Themenkomplex geeignet, die enge Verbindung von Umwelt- und Entwicklungspolitik zu verdeutlichen. Warum ist aber Desertifikation kein Thema in Deutschland (und man kann getrost sagen, auch in anderen Industriestaaten)? Die Vertragsstaatenkonferenz der Konvention, am Sitz des Konventionssekretariats, ist eine Gelegenheit, Desertifikation und die Mechanismen und Strukturen, die dazu führen, stärker in den Blickpunkt auch der deutschen NRO zu rücken. In vielfältiger Weise arbeiten wir nämlich zu desertifikationsrelevanten Fragestellungen: Standortunangepasste Landwirtschaft ist einer der Hauptfaktoren, die zu Wüstenbildung führen. Möglich wird dies oft erst durch die Abholzung von Wäldern zur Gewinnung neuen Farmlands, nachdem das alte, ebenfalls durch Abholzung gewonnene, nach wenigen Jahren versteppt ist. Verfehlte Handelsstrukturen führen oft erst zu dieser standortunangepassten Landwirtschaft, wenn etwa in ariden Gebieten wasserintensiver Anbau betrieben wird oder überhöhte Viehbestände alles abgrasen. Der Klimawandel, verursacht primär durch die geradezu delirische Sucht der Industriestaaten nach fossiler Energie, schlägt vor allem in den Entwicklungsländern zu: Die von El Niño und La Niña verursachten Dürren oder das drohende Ausbleiben des Monsuns durch die Erwärmung der Himalaya-Region haben weit verheerendere Auswirkungen als der Orkan Lothar in Frankreich und Süddeutschland.
Desertifikation ist also ein Querschnittsthema, und die Bonner Vertragsstaatenkonferenz ist daher auch eine Einladung an alle NRO, sich mit dieser Querschnittsthematik auseinanderzusetzen [s. Kasten auf Seite 8]. Ein besonders enger Kontext zur Wüstenbildung besteht natürlich in der Wasserfrage. Am 7. September veranstaltete das Forum Umwelt & Entwicklung gemeinsam mit VENRO ein Fachgespräch zur internationalen Wasserpolitik, das auf unerwartet große Resonanz stieß. Süßwasserpolitik spielt eine immer größere Rolle in den Umwelt- und Entwicklungsverhandlungen und im Rio-Prozess. Die Bundesregierung plant einen großen Wasserkongress im Dezember 2001 in Bonn als Beitrag zum Rio+10-Prozess. Deutsche NRO spielten in der internationalen Wasserpolitik bislang keine sehr große Rolle. Der Leitungskreis des Forums hat sich daher überlegt, ob nicht eine AG Internationale Wasserpolitik im Forum gegründet werden sollte. Ein Bericht dazu von Dörte Bernhardt steht daher in engem Zusammenhang mit unserem Schwerpunktthema. Wer sich für die Mitarbeit in einr solchen AG interessiert, ist herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen. Vor der Desertifikationskonferenz kommt allerdings noch im November die Haager Klimakonferenz. Sie ist die letzte Chance, die Weichen soweit zu stellen, dass das Kyoto-Protokoll nicht nur tatsächlich einen umweltpolitischen Effekt haben wird, sondern auch zum Rio+10-Gipfel 2002 in Kraft treten kann. Die Ratifikationsprozesse dauern erfahrungsgemäss lange, selbst in Ländern, in denen – im Gegensatz zu den USA – die Parlamente den Regierungsvorlagen normalerweise zustimmen. [siehe die Beiträge der AG Klima]. Rio+10 wird eine Serie sein, die ab diesem Rundbrief bis 2002 nunmehr regelmäßig erscheinen wird. Die Zehnjahresbilanz des Rio-Prozesses ist eine durchaus zwiespältige Angelegenheit, in jedem Fall aber auch eine Chance, wieder mehr Schwung in die internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik zu bringen. Dies wird aber nur gelingen, wenn die NRO gemeinsam dazu beitragen. Ich möchte alle Leserinnen und Leser einladen, sich daran zu beteiligen.
Jürgen Maier
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