Nach der vierten und letzten Vorbereitungssitzung für den »Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung« in Bali ist unklarer denn je, was bei diesem Gipfel überhaupt herauskommen soll – selbst, ob es überhaupt ein Gipfel wird. So mancher Delegierte stellte sich in Bali die Frage, wie er eigentlich seinen Staatschef nach Johannesburg locken sollte. Zehn Jahre nach Rio ist von der neuen »globalen Partnerschaft«, die die Agenda 21 begründen wollte, nicht mehr viel zu sehen. Nord gegen Süd, lautet oft genug die Devise, oder auch Umwelt gegen Entwicklung. So wie eine Reihe von Regierungen in den Industrieländern, allen voran die amerikanische Bush-Administration, von nachhaltiger Entwicklung ohnehin nichts halten, haben auch viele Entwicklungsländer diese Vision längst als Luxusnummer für Reiche abgehakt. Anders lässt sich ihr hartnäckiger – und kurzsichtiger – Widerstand gegen jede Form einer Weiterentwicklung der globalen Umweltarchitektur kaum erklären. Development as usual ist also für die Mehrheit der Regierungen angesagt, und für die globale NRO-Bewegung bedeutet dies: Johannesburg sollte zum Anlass werden, die immer noch weit verbreitete Vorstellung zu den Akten zu legen, die Welt könne im Konsens verändert werden. Historisch gibt es dafür ohnehin kaum ein Beispiel. In der Realität gibt es gegen jeden denkbaren Schritt zu mehr Nachhaltigkeit immer Widerstände. Irgendeine Lobby für den Erhalt nicht-nachhaltiger Wirtschaftsweisen gibt es immer, und die Kanzler und Präsidenten dieser Welt scheinen diesen allerorten ein weit grösseres Gewicht beizumessen, als ihnen objektiv zustehen würde. Ein Beispiel dafür bot die EU, die in Bali noch als einäugige Königin unter den Blinden auftrat, just an dem Wochenende, als die Delegationen von Bali nach Hause flogen: In einem dreckigen Deal der Extraklasse stimmte die deutsche Regierung zu, dass die Niederlande, Frankreich und Spanien die europäischen Verträge verletzen dürfen und ihren Spediteuren europarechtlich unzulässige Subventionen in Form von Treibstoffsteuer-Nachlässen gewähren dürfen. Dafür stimmten diese Länder zu, dass die Deutschen die ab Juli nicht mehr europarechtskonformen milliardenschweren Kohlesubventionen bis 2010 verlängern dürfen. Der deutsche Wirtschaftsminister feierte dies als gelungene Verteidigung deutscher Interessen. Von den Verlierern, nämlich der Umwelt und den Steuerzahlern sowie der Glaubwürdigkeit des EU-Engagements für Nachhaltge Entwicklung, sprach er nicht. Währenddessen versucht die Kampagne »Globale Gerechtigkeit ökologisch gestalten« der Umwelt- und Entwicklungsverbände, mit einer Vielzahl von Aktionen den öffentlichen Druck zu erhöhen, dass Johannesburg entgegen allen negativen Vorzeichen doch noch ein Erfolg wird. Dazu gehört nicht nur eine glaubwürdigere Energie- und Verkehrspolitik, sondern auch eine Handels- und Entwicklungspolitik, die den Entwicklungsländern eine echte Perspektive eröffnet und Nachhaltige Entwicklung wieder zu einer Vision macht, von der auch sie sich etwas versprechen können. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Jürgen Maier
Download