10 Jahre WTO – nach Feiern ist allerdings kaum jemandem zumute. Die Gründung der WTO wurde 1995 außerhalb eines überschaubaren Zirkels von Fachleuten kaum von jemandem zur Kenntnis genommen. Die Publikationen der AG Handel des Forums zählten zu jener Zeit nicht unbedingt zu den Bestsellern. Nur wenige Jahre später hatte sich dies grundlegend geändert: begleitet von massiven Protesten, Demonstrationen und eskalierenden Interessengegensätzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern platzte die 3.WTO-Ministerkonferenz in Seattle, und seitdem kommt die WTO nicht mehr richtig aus der Krise heraus. Auch das 5.Ministertreffen in Cancún endete 2003 ohne Ergebnis. Die Interessengegensätze zwischen Nord und Süd, aber auch innerhalb der Industrieländer bestehen nach wie vor. Das in den WTO-Verträgen festgeschriebene Primat des Freihandels hat in nie da gewesener Weise die Entscheidungsfreiheit der Staaten eingeschränkt – so erheben die USA bis heute millionenschwere Strafzölle gegen Produkte aus der EU, weil sie vom WTOSchiedsgericht amtlich attestiert bekamen, dass die Europäer kein Recht haben, den Verzehr hormonbehandelten Rindfleischs oder genmanipulierter amerikanischer Agrarprodukte abzulehnen. Die WTO-Verhandlungen sind inzwischen nicht mehr nur für einen Expertenkreis der AG Handel des Forums Umwelt & Entwicklung interessant. Wer sich zu den Themen Landwirtschaft, Biodiversität, Wasser und zum Schutz der Wälder engagiert, muss heute feststellen, dass die WTO-Politik einen immer größeren Raum einnimmt.
Den Parlamentariern der WTO-Mitgliedsstaaten dämmert zwar allmählich, dass sie mit der Ratifizierung der WTO-Verträge auf einen Schlag mehr Souveränitätsrechte abgegeben haben als jemals zuvor mit der Ratifizierung eines internationalen Vertrags, aber ernsthafte Versuche, diese mit nachhaltiger Entwicklung nicht zu vereinbarenden WTO-Verträge nicht nur zu beklagen, sondern auch zu ändern, überlassen die Parlamentarier dieser Welt bisher den NGOs und sozialen Bewegungen. Angesichts der Krise der WTO, wie sie im hauseigenen Sutherland-Bericht (S.7) deutlich angesprochen wird, scheinen die Freihandels-Protagonisten ihnen aber längst wieder mehrere Schritte voraus und verlassen sich längst nicht mehr nur auf das Instrument WTO. Die EU-Kommission hat seit Cancún zwar den Handelskommissar ausgewechselt, aber nicht die politische Ausrichtung, und den bisherigen Kommissar Pascal Lamy hat sie nun auch als Kandidaten für den neuen WTO-Generaldirektor nominiert. Die globale Aktionswoche für einen gerechten Welthandel, die vom 8.-16.April in über 70 Ländern stattfinden wird, ist ein Beitrag dazu, vor der im Dezember in Hongkong geplanten 6.WTO-Ministerkonferenz diesen Druck weiter zu erhöhen. Dass Welthandelspolitik keineswegs ein Nullsummenspiel von Nord gegen Süd, von Wirtschaft gegen Umwelt sein muss, zeigt die Tatsache, dass diese Aktionswoche gemeinsam von einer großen Bandbreite von NRO und Initiativen in Nord und Süd durchgeführt wird. Machen Sie mit! Mehr Informationen finden Sie auf Seite 5 und unter www.gerechtigkeit-jetzt.de.
Jürgen Maier
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