Was sind die Themen bei der 11. Ministerkonferenz der WTO?
Heute wird die 11. Ministerkonferenz der WTO in Buenos Aires eröffnet. Wir sind vor Ort und berichten, welche Themen im Vorfeld besprochen wurden und welche Erwartungen an die MC11 gestellt werden.
Jahrelang lag die Arena der Handelspolitik eher bei den bi- und plurilateralen Abkommen wie TTIP oder dem transpazifischen Abkommen TPP. Nicht nur die Industriestaaten erwarteten, dass sie hier ihre agressiven Interessen besser durch bekämen als innerhalb der WTO, die aufgrund der Doha-Runde als blockiert galt. Somit war auch die Industrielobby stark in diese Verhandlungen involviert. Doch nun wenden sie sich auch der WTO wieder zu, insbesondere der High-Tech Sektor (inklusive fünf der sieben größten Konzerne der Welt). Ziel ist, sich in diesem Forum zu sichern, was die pluri- und bilateralen Abkommen bisher noch nicht festlegen konnten, weil sie entweder auf Eis liegen (TiSA) oder noch nicht in Kraft gesetzt wurden. Das Thema e-commerce (elektronischer Handel) steht als neues Thema für die diesjährige MC11 im Raum und bestimmt u.a. die Diskussion der Zivilgesellschaft. E-commerce ist auch das entscheidende Thema für Big Business, denn es gibt viel zu gewinnen.
Außerdem stehen auf der Agenda neben den Doha-Themen auch neue Themen: Investitionserleichterungen, Dienstleistungen und innerstaatliche Regulierung, Fischereisubventionen und Landwirtschaftsthemen, insbesondere der Streit um die Freiheiten von Entwicklungsländern, Ernährungssouveränität für ihre Bevölkerung zu gewährleisten (handelsverzerrende interne Subventionen ) und Handel für die eigene Entwicklung nutzen zu können. Dazu gehört beispielsweise der Streit um die Art der öffentlichen Lagerhaltung.
Daten sind das neue Öl
E-commerce ist – neben Landwirtschaft bzw. Fischerei – das beherrschende Thema im Vorfeld der MC11. Insbesondere da es zu diesem Thema bereits eine Arbeitsgruppe aus dem Jahr 1998 gibt, es aber jetzt von einigen Akteuren – beispielsweise USA und EU – den Wunsch gibt, eine neue Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die in ihren Kompetenzen deutlich weiter gehen kann als bisher. Das Thema ist insbesondere so populär und kontrovers, weil durch die digitalisierte, globale Wirtschaft sich auch die Art wie wir bisher handeln von Grund auf verändern wird. Im Zentrum des Interesses von Big Business wie Google oder Amazon steht die Idee einer grenzenlosen, globalen Wirtschaft mit neuen Märkten, aber ohne restriktive Pflichten für Konzerne, die sicherstellen, dass auch ArbeiterInnen, BürgerInnen, Länder oder Gemeinden davon profitieren.
Als Argumentationshilfe greifen BefürworterInnen auf das immer wieder beliebte Argument zurück, dass davon auch Kleine und Mittlere Unternehmen profitieren könnten (KMUs). Wir erinnern uns, dass dieses Argument auch bei der Legitimierung von Konzernklagerechten oder ganzen Abkommen, wie TTIP, ins Feld geführt wurde. Doch es ist es unwahrscheinlich, dass diese es mit der Marktübermacht der Big Five des Tech-Business wie Google oder Amazon aufnehmen können. Diese haben wiederum das Interesse nicht nur den Onlinehandel zu dominieren, sondern sie wollen die gesamte digitale Wertschöpfungskette steuern.
Dafür brauchen sie Vereinbarungen innerhalb der WTO oder den bi- und plurilateralen Abkommen, die die lokale Datenspeicherung verhindern, keine Besteuerung oder Zollschranken für digitale Güter einführen, freien Datenfluss etc. gewährleisten – höchst bedrohlich für Datenschutz, VerbraucherInnenschutz oder nachhaltige Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern.
Derzeit gibt es kein Mandat der WTO, um diese globalen Regeln zu verhandeln und es sollte auch so bleiben!
Fischereisubventionen als Hoffnungsfunken?
Der einzige Bereich, für den sich eine begrüßenswerte Agenda aus Sicht der Zivilgesellschaft ergeben könnte, waren im Vorfeld die Fischereisubventionen. Dabei geht es insbesondere darum, die Überfischung in den Griff zu bekommen, die u.a. zu Lasten der Umwelt, aber auch der Ärmsten geht, die vom Fischfang abhängig sind, aber deren Fischgründe von Flotten leergefischt werden. Doch nun, kurz vor der MC11, zeichnet sich ab, dass die entwicklungspolitisch begrüßenswerten Vorschläge wohl nur sehr verwässert durchkommen. Einige Vorschläge für die Verhandlungen scheinen eher noch mehr Hürden für Entwicklungsländer aufbauen zu wollen, anstatt explizit die kleinteilige Fischereiwirtschaft zu unterstützen.
Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal!
Mit Blick auf alte Streitpunkte, wie im Bereich der Landwirtschaft oder bei den vermeintlich neuen Themen wie e-commerce, die nun gesetzt werden sollen, zeichnet sich das Bild, dass uns auch aus den Protesten um die bilateralen Abkommen wie TTIP und CETA bekannt vorkommt: Ein umfassender Kompromiss hin zu mehr globaler Gerechtigkeit und Partizipation ist nicht absehbar, dafür eher die Agenda der großen Konzerne….
Daher meinen wir: solange die Inhalte nicht stimmig sind, darf es keine neuen Themen und keine neuen Verhandlungen geben – es braucht einen grundsätzlichen Wandel in der Handelspolitik, in der WTO wie auch bi- und plurilateral.
Und es wäre gut, mit mehr Transparenz anzufangen – denn die Zivilgesellschaft darf dieses Jahr nicht einmal bei der offiziellen Eröffnung der MC11 mit im Raum sein. Well done!
Aus Buenos Aires: Alessa Hartmann und Nelly Grotefendt
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